Schienbeinkantensyndrom – Was hilft?

Schienbeinkantensyndrom – Was hilft?

ein Artikel von Max Marka und Vanessa Kürrer

Was ist das Schienbeinkantensyndrom?

 

Das Schienbeinkantensyndrom fällt unter die Kategorie der Überlastungssyndrome. Es ist auch bekannt unter Tibiakantensyndrom oder Shin splint – dabei wird zwischen dem medialen und lateralen Tibiakantensyndrom unterschieden. Folglich wird Bezug auf das mediale Tibiakantensydnrom genommen:

Hierbei treten Schmerzen an der Innenseite des Unterschenkels, im Bereich der Vorderkante des Schienbeins auf. Meist präsentieren sich diese während oder nach sportlicher Aktivität, vor allem Läufer*innen sind häufig davon betroffen.

 

Was sind häufige Symptome bei Schienbeinkantensyndrom?

 

Bei einem Schienbeinkantensyndrom treten oftmals Schmerzen der Länge nach für mindestens 5cm im Bereich der inneren Schienbeinkante oder auch im Verlauf der Sehne des Musculus tibialis posterior, bis über die Innenseite des Knöchels, auf. Diese Schmerzen können sich als dumpf oder stechend präsentieren.  Dabei kommt es meist während oder und nach einer Belastung zu Schmerzen, vor allem bei Sportarten mit Laufbelastungen werden dieses oftmals angegeben. Typisch für das Schienbeinkantensyndrom ist außerdem ein wiederkehrendes Auftreten der Schmerzen, auch nach Schonzeiten. 

 

  • Musculus tibialis posterior: Dieser verläuft an der Hinterseite Schienbeins und zieht an der Innenseite von diesem zur Fußsohle hinunter. Er bildet zusammen mit dem Musculus fibularis longus das Quergewölbe des Fußes, welches vor allem für die Stabilisierung beim Auftreten und Abrollen wichtig ist. 

 

Welche biomechanische Ursache kann es für das Auftreten geben?

 

Es wird angenommen, dass eine verstärkte Pronation im Sprunggelenk auslösend für das Schienbeinkantensyndrom sein kann. Unter einer Pronation im Sprunggelenk versteht man die Absenkung des inneren Fußrandes mit eventuell gleichzeitiger Hebung des äußeren Fußrandes. Der Grund dafür kann eine Schwäche der Beinmuskulatur bzw. der Beinachse sein. Eine weitere mögliche Ursache kann ein angeeigneter Kompensationsmechanismus sein um ein sogenanntes Supinationstrauma – das Umknicken mit dem Fuß über die Fußaußenkante – zu vermeiden.

 

Wie kommt es infolge zu den typischen Schmerzen?

 

Durch kontinuierliche Belastungen der Unterschenkelmuskulatur, welche am Schienbein ansetzen, kann es zu einer Überbeanspruchung kommen. Es wird angenommen, dass ursächlich für die Schmerzen eine verstärkte Reizung der Knochenhaut am inneren Schienbeinrand ist. Dies kann durch verminderte Kraft der Beinachse entstehen, wenn diese zu schwach ist, kann dies infolge zu vermehrter Zugbelastung auf den Muskelansatz am Schienbein kommen. 

 

Eine weitere Theorie ist, dass durch die übermäßige Zugbelastung auf den Knochen in Kombination mit der zusätzlichen Zugkraft der Unterschenkelmuskulatur am Schienbein zu einer Überlastung der Struktur kommt. Diese Reizung der Knochenhaut, des Muskels und/oder seiner Sehne können sich als schmerzhaft präsentieren und zu einer Entzündung entwickeln.

 

Entscheidend ist, dass ein Schienbeinkantensyndrom sich über längere Zeit oder auch in einem kürzeren Zeitrahmen entwickeln kann, durch beispielsweise zu rascher Steigerung des Trainingsumfanges oder schlechtes Schuhwerk. Daher gilt es in der Physiotherapie herauszufinden, wo die mögliche Ursache der Problematik steckt, um folglich eine individuell angepasste Behandlung zu planen.

 

Welche Risikofaktoren für die Entstehung eines Schienbeinkantensyndrom gibt es?

 

Aus einer Studie ging hervor, dass Übergewicht, ein verstärktes Absinken des Navicular-Knochens des Fußes, ein vergrößertes Bewegungsausmaß in den Spitzfuß sowie eine vermehrte Außenrotation in der Hüfte zu den Risikofaktoren für ein mediales Schienbeinkantensyndrom zählen. 

 

Diese Faktoren sind vor allem für die Physiotherapie relevant. Denn somit können spezifischere Maßnahmen gesetzt werden, um ein Schienbeinkantensyndrom eventuell vorzubeugen oder bei bestehender Problematik in die Therapie miteinzubeziehen.

 

Was sind Überlastungssyndrome?

 

Unter diese Kategorie fallen Schmerzen oder Verletzungen, welche durch wiederholte Überlastung des Bewegungsapparates entstehen - ohne einem traumatischen Ereignis als Ursache. Hierbei werden beispielsweise Muskeln, Knochen, Sehnen oder Bandstrukturen über ihre vorhandene Belastungstoleranz hinaus kontinuierlich beansprucht. Das bedeutet, dass die Struktur nicht ausreichend an die Belastungsreize der sportlichen Aktivität angepasst ist. Folglich fehlt ihr zumeist die ausreichende Regenerationszeit bzw. Zeit für die Wundheilung

 

Wieso ist diese Überlastung beim Laufen so häufig?

 

  • das Wechseln der Untergründe (z.B. im Frühling, wenn statt auf dem gewohnten Asphalt plötzlich auf dem Trail, sprich Wald- und Wiesenboden, gelaufen wird)
  • zu schnelle Steigerung des Trainingsumfanges
  • abrupte Steigerung oder Änderung der Laufgeschwindigkeit
  • wiederholte plötzliche Richtungswechsel, auf welche Muskulatur und Strukturen nicht vorbereitet sind (sogenannte Stop&Go-Bewegungen)
  • eine einseitige Schwäche der Muskulatur (z.B. die Waden-, Oberschenkel- oder Gesäßmuskulatur ist nach einer Verletzung schwächer als beim anderen Bein)
  • der Laufstil selbst bzw. eine Veränderung des Laufstils
  • Vernachlässigung der Regenerationsphasen
  • nicht ideale Laufschuhe

All diese Dinge können mögliche beitragende Faktoren für die Entstehung einer Überlastungsproblematik darstellen, müssen es aber nicht! Daher ist eine genaue Anamnese fundamental, um einen guten Einblick in dein Training zu bekommen. 

 

Was sind die Schritte in der Physiotherapie bei einem Schienbeinkantensyndrom?

 

Entscheidend für uns in der Physiotherapie ist die Ursache für das Auftreten herauszufinden. Je nachdem setzen wir verschiedene Behandlungsmaßnahmen in der Therapie ein. Daher gilt es hervorzuheben, dass es kein einheitliches Behandlungsschema bei einem medialen Schienbeinkantensyndrom gibt, sondern die Maßnahmen individuell auf dich abgestimmt werden. Unser Ziel ist eine zielorientierte Behandlung, welche dich dabei unterstützt, wieder fit zum Sport zurückzukommen.

 

Ein Ausschnitt von möglichen Behandlungsmaßnahmen in der Therapie: 

 

  • Optimierung deines Trainingsplan: eine angepasste Steigerung deines Lauftrainings zu setzen, ohne dass es zu Überlastungen von Körperstrukturen kommt. Denn es ist wichtig, dass nicht nur deine Muskulatur bzw. Muskelkraft an die Belastung angepasst ist, sondern auch Sehnen und Bandstrukturen. Damit auch diese die adäquate Qualität haben, damit du nachhaltig performen kannst. 

 

  • Schrittweise Steigerung deiner Belastbarkeit: je nach Schweregrad des Schienbeinkantensyndroms kann es notwendig sein, dass Training zu pausieren. Es ist wichtig Regenrationspausen einzuhalten, um den Strukturen Zeit zur Heilung zu geben. Infolge ist ein Krafttraining mit adaptierter Steigerung das Ziel. Der Fokus wird hierbei individuell auf deine körperlichen Ansprüche gelegt. Im späteren Stadium kann ein Return to sport-Programm erstellt werden, mit Übungen zur Vorbereitung auf deine sportspezifischen Ansprüche sowie ein adaptiertes Training auf deinem gewohntem Belastungsniveau.

 

  • Beinachsentraining: eine Schwäche von Muskeln bzw. Muskelgruppen können sich in einer Abweichung der Beinachse oder Kompensationsmechanismen beim Gehen oder Laufen äußern. Dabei kann ein genaues Screening deiner Beinachse helfen, um Auffälligkeiten herauszufiltern und deine Trainingsinhalte ideal darauf abzustimmen. 

 

  • Laufstilanalyse: deinen Laufstil oder Ausweichbewegungen bzw. Fehlbelastungen während des Laufens zu erkennen ist ein hilfreiches Tool in der Therapie. Dadurch kann beispielsweise dein Kräftigungsprogramm individuell abgestimmt oder auch dein Laufstil optimiert werden 

 

  • Edukation: Wir informieren dich über Einfluss- und Risikofaktoren, welche zu einem Schienbeinkantensyndrom – oder anderen Überlastungssyndromen - führen können. Darüber hinaus geben wir dir fachspezifische Auskunft bei weiteren Fragen zu deiner sportlichen Aktivität oder anderem und dich dabei zu unterstützen deine Performance zu optimieren.

 

Wie kann dein Laufschuh einen beitragenden Einfluss haben?

 

Beim Laufen mit einem älteren Schuh kann es sein, dass die Sohle ungleichmäßig abgenützt ist. Wenn nun eine Seite mehr abgenützt ist, kann dies dazu führen, dass die Schritte beim Laufen ungleichmäßig passieren. Dadurch besteht die Gefahr, dass sich eine Fehlbelastung einschleicht, welche zu einer Überlastung von Strukturen führen kann. Außerdem ist es möglich, dass der vorhandene Laufschuh nicht passend zu deinem Fuß ist und ihn daher auf biomechanischer Ebene nicht adäquat unterstützt.

 

Darum ist es wichtig, dass du dich bei deiner Schuhauswahl fachlich beraten lasst - damit dein Laufschuh für die Anforderungen deines Fußes sowie dein Training optimal ist.

 

Welchen Faktoren sind für die Regeneration wichtig?

 

Die Regeneration ist entscheidend um gute Leistungen beim Training zu erbringen und nachhaltig deinen Körper zu unterstützen. Wichtige Aspekte sind dabei: 

 

  • Hydration: eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist essenziell für den Erhalt deiner Leistungsfähigkeit
  • ausgewogener Schlaf: Nicht nur die Quantität – wie viel du schläfst - sondern auch die Qualität deines Schlafes ist entscheidend
  • Ernährung: welche Lebensmittel du zu dir nimmst und wann du isst, beeinflusst deine Leistungsfähigkeit und Regeneration

Rauchen, Alkoholkonsum, Stressfaktoren im Arbeits- oder Privatleben oder ein Mangel an Nährstoffen können deine Regeneration – und damit deine sportliche Leistung - negativ beeinflussen.